Tag 18: Yellowstone
- Tobi
- 5. Sept. 2018
- 9 Min. Lesezeit
Timing ist alles
Petrus – mein bester Freund – hat es heute wieder einmal sehr gut mit uns gemeint. Nicht dass wir bis jetzt schlechtes Wetter hatten, aber gerade für den Yellowstone hat er das optimale Wetter aus seinem Ärmel gezaubert.
Absolut klarer Himmel, Sonnenschein, der uns überall hinbegleitet und immer perfekt scheint. Es ist zwar sehr, sehr kalt, aber das nehmen wir in den Kauf.
Gibt es einen perfekten Tag?
Die Frage habe ich mir schon oft gestellt und ich hatte meiner Meinung nach auch schon einige - aber der heutige Tag ist definitiv mit an der Spitze.
Heute hat alles funktioniert und noch vieles mehr. Der perfekte Abschluss für unseren letzten ganzen Tag in einem Nationalpark.
Nicht nur das der Yellowstone an sich schon der perfekte Park zum Abschluss ist, nein heute hat sich nicht nur Petrus von seiner besten Seite gezeigt, sondern auch der Yellowstone.
Heute schlafen wir richtig aus und der nette Vati weckt uns um 7:30 Uhr per Telefon, weil noch zwei Dinge wegen des Umzuges geklärt werden müssen. Der kommt ja auch noch auf uns zu, aber das hat noch Zeit, jetzt zählt der letzte komplette Tag hier.
Ganz gemütlich machen wir uns fertig und kurz vor halb neun verlassen wir das Haus und fangen an zu frieren. Es sind minus zwei Grad und die Scheibe ist mal wieder vereist, aber wozu gibt es die Lüftung im Auto?
Um 8:30 Uhr geht es dann endlich gen West Yellowstone, aber vorher noch das obligatorische Tanken und Einkaufen.
Unser erstes Ziel ist eigentlich der Wanderweg zum Midway Geysir, den wir endlich einmal von oben bewundern wollen, aber der Yellowstone wäre nicht der Yellowstone, wenn er nicht etwas anderes für uns geplant hätte.
Denn auf einmal kommt eine One Way Drive Route, die wir vorher noch nicht gesehen haben. Natürlich nehmen wir die 2,1 Meilen mit, sie führt uns sehr schön am Firehole River entlang, wo man immer wieder anhalten und den tollen Bach mit seiner starken Strömung und den gleichnamigen Wasserfall bestaunen kann.
Jetzt aber ohne Umweg zum eigentlichen Ziel.
Natürlich wird daraus auch nichts, denn wieder gibt es einen Einwegrundkurs, den „Firehole Lake Drive“. Hier ist nicht beschrieben wie lang er ist, aber wir haben ja Zeit und ein bisschen Natur ist immer schön, da die hier ja teilweise untergeht durch die ganzen anderen tollen Dinge.
Mit der Erwartung „nur“ durch den Wald zu fahren, erlebten wir etwas ganz anderes. Dieser Weg wird unvergesslich für uns bleiben und ein ganz großes Highlight werden.
Er führt an unzähligen heißen Quellen und Geysiren vorbei und wieder einmal ist einer schöner als der andere. Wie sollen wir denn so was schaffen, fragen wir uns. Aber bei diesen Anblicken kann man einfach nicht anders.
Angekommen am Great Fontaine Geysir, erfahren wir, dass er heute um 13:15 Uhr ausbrechen soll. Also haben wir noch gute drei Stunden Zeit um den Rundkurs zu bewältigen.
Am nächsten Stopp erkennen wir einen großen Stein der mitten im Nichts steht und genial aussieht. Es stehen viele Leute mit ihren Stativen dort und das ist ein super Zeichen. Genau als wir den besten Punkt gefunden haben, fragt mich Jule, ob er denn gleich ausbricht. Und genau in dem Moment fängt er an, eine Wassermasse so hoch es nur geht, durch das kleine Loch zu spritzen. Das nennt man Timing.
Im Gegensatz zu Jule, wechsle ich meine Ansicht zur der anderen Seite um ein Video zu machen. Da ich sehe über dem Geysir einen Regenbogen. Wie geil ist das denn?
Ich versuche noch Jule zu mir zu holen, aber dann ist es schon zu spät, aber meine Fotos sind auch super geworden.
Ein paar Meter weiter steht schon der nächste Geysir (Pink Cone) bereit und brodelt vor sich hin.
Wir sind die Ersten die stehen bleiben und wollten eigentlich nur schnell ein Foto machen, aber daraus wird heute nichts, denn er bricht genau in dem Moment aus. Wieder - was für ein Timing.
Aus unserer Perspektive sehen wir wieder einen Regenbogen und auch dieser Geysir will nicht aufhören uns in seinen Bann zu ziehen. Mittlerweile stehen alle Leute am Seitenrand und machen Fotos und Videos. Den Menschen in meiner Reichweite sage ich, dass sie von unserer Stelle (und nur von da) einen Rainbow sehen. Sie sind alle hellauf begeistert und ich habe viele neue Freunde gefunden. In den nachfolgenden Stationen wird mir immer noch freudestrahlend gedankt.
Was für ein Wahnsinn, die restlichen Geysire sind zwar klein, aber brechen genau aus, wenn wir ankommen. Als ob irgendjemand auf uns wartet und den On-Knopf drückt.
Nach diesem tollen Weg ändern wir unseren Plan und fahren nicht zum Wanderweg, sondern noch einmal zum Norris Point, um dieses Mal den „Porcelain Spring“ bei purem Sonnenschein zu fotografieren.
Der lange Umweg hat sich gelohnt, wirkt er durch die Sonne heute viel farbintensiver und beeindruckender als gestern.
Froh über diese Entscheidung gucken wir auf die Uhr und wenn ich mich ausnahmsweise einmal an die Geschwindigkeit in einem Park halte und nicht schleiche, kommen wir auch pünktlich am „Great Fontaine Geysir“ an.
Zwei Minuten vor 13:00 Uhr sind wir da und sind überrascht, dass so wenig Leute hier sind. Lesen sie alle keine Schilder? Uns soll es egal sein, wir schnappen uns einen sehr guten Platz und warten darauf, dass es los geht.
Das Wasser brodelt zwar schon mehr als vorhin und wir bilden uns ein, dass es von Minute zu Minute mehr wird. Leider ist das aber nicht der Fall. Aber es wird immer voller und alle warten wie gespannt.
Als 13:45 Uhr noch immer nichts passiert gehen einige schon wieder, aber ich gucke auf mein schlaues Bild, was ich im Visitor Center gemacht habe und dort steht, dass sich die Eruption auch schon einmal zwei Stunden Zeit lässt, bis sie ausbricht. Geduld ist ja auch eine Tugend (zwar nicht meine Stärkste) und wir warten hartnäckig und werden kurz vor 14:00 Uhr dafür belohnt.
Der Geysir macht seinem Namen alle Ehren und schießt eine riesige Fontaine nach der anderen aus und will gar nicht mehr aufhören. Leider erweist sich unser Platz nicht als perfekt, denn wir bekommen den ganzen Wasserdampf und das Wasser ab und sehen so nicht seine wahre Schönheit, aber es ist trotzdem ein sehr besonderes Erlebnis und die Videos sind auch super geworden.
Nachdem wir den Platz gewechselt haben, sehen wir dem Schauspiel noch ewig weiter zu, denn es will einfach nicht aufhören uns zu begeistern.
Nach gefühlten Stunden verlassen wir völlig froh den Ort und fahren durch die Einbahnstraße um endlich die geplante Wanderstrecke in Angriff zu nehmen.
Diesmal kommt auch nichts dazwischen und 15:00 Uhr sind wir dann an unserem eigentlich ersten Ziel. Hat ja gar nicht mal so lange gedauert.
Der Weg dauert 20 Minuten und geht davon nur fünf Minuten sehr steil bergauf. Was uns dann für eine Aussicht erwartet übertrifft wieder einmal unsere Erwartungen. Sah schon der Midway von unten einfach nur stark aus, zeigt er sich von oben in seiner ganzen Pracht. Die Sonne (danke Petrus noch einmal, dafür bekommst du ein Bier) scheint so perfekt darauf, dass wir nicht aufhören können Fotos zu machen. Gigantisch. Zum Glück haben wir das gestern nicht gemacht, als es doch sehr bewölkt war.
Als wir unten angekommen sind, wollen wir zum Big Faithful und ins Visitor Center. Da werden wir erfahren, wann und wo der nächste Geysir ausbricht.
Am Big Faithful sehen wir schon eine Horde Menschen, heißt also, dass er auch gleich ausbricht und wir verschieben kurz unsere Toilettenpause und gehen dorthin. Genau in dem Moment bricht er aus. Was ist denn das bitte heute für ein Timing?
Nach ein paar Minuten ist auch dieses tolle Spektakel zu Ende und wir können endlich zur Toilette (also eigentlich nur Jule). Ich gucke mir in der Gelegenheit die Zeiten von den nächsten Ausbrüchen an und sehe, dass in einer Minute der Castle Geysir ausbricht.
Aufgeregt warte ich auf Jule und wir laufen schnell die paar hundert Meter dorthin. Kurz bevor wir da sind, fängt er auch schon an. Da wir nicht wissen, wie lange die „Show“ geht, laufen wir noch schneller und sind wieder einmal sprachlos und können unser Glück nicht fassen, dass wir Ihn noch so sehen können.
Wieder kommt aus einem Stein, mit einem kleinen Loch so viel Wasser herausgeschossen, das wir wahrscheinlich in einem Jahr verbrauchen. Er will gar nicht aufhören und so sind wir dort 41 Minuten und können wieder einmal einen Regenbogen daneben bewundern.
Kann der Tag noch besser werden oder was kann jetzt noch Schöneres kommen? Eigentlich nichts, doch wir täuschen uns.
Ich gucke mir noch einmal das Bild mit den Zeiten an und stelle fest, dass der Daisy Geysir in 40 Minuten auch ausbrechen soll und wir nur 20 Minuten entfernt ist.
Na, das schaffen wir doch und wir laufen wie die Weltmeister in Geysire beobachten dort hin und sind überrascht, dass kein einziger Mensch hier ist.
So können wir die umliegenden Geysire und Quellen bewundern, bis wir dann am Ausgangspunkt wieder angekommen sind und unsere Vorbereitungen treffen.
Lange lässt er uns dann nicht warten und zeigt sein ganzes Können. Es geht zwar diesmal nur vier Minuten, es ist aber trotzdem extrem toll es anzugucken.
In 1,5 Stunden soll der nächste Geysir der ausbrechen, er ist auch nicht weit weg. Wir laufen ganz gemütlich zum Riverside Geysir, leider ist die Aussichtsplattform gesperrt, sodass wir einen anderen Punkt suchen müssen, aber dann geht es zum „Morning Glory Pool“.
Dieser übertrifft wieder einmal fast alles. Ungestört versuchen wir dieses geniale Bild festzuhalten. Die Sonne macht dieses Bild noch besser, er gibt aber einen kleinen Nachteil, denn man kann nur von einer Stelle Fotos machen und dort sieht man leider immer einen kleinen Teil des Geländers, wenn man den ganzen Pool ablichten will. Ich klettre überall hinauf und schaffe es irgendwann ein sehr gutes Bild zu machen. Die restlichen Menschen machen mir das nach und sind froh über diese Idee.
Völlig baff von diesem Anblick geht es auf eine Brücke, von der wir den Riverside Geyser bewundern können. Wir sind die Ersten und suchen den besten Blick. 30 Minuten müssen wir jetzt noch die Zeit totschlagen, aber das fällt in diesem Park nicht schwer, denn überall sind Quellen, die so toll aussehen oder es dampft aus irgendwelchen Löchern.
Zehn Minuten vor dem Ausbruch kommt eine 20 Mann starke asiatische Reisegruppe auf uns zu und wir befürchten Schlimmes.
Der Leiter fragt mich (wahrscheinlich wegen dem Stativ) wie lange es noch dauert. Er glaubt mir nicht, als ich meinte, dass es in zehn Minuten beginnt und fragt mich nach meiner App. Ich zeige ihm das Bild vom Visitor Center und er glaubt mir.
Kurz wird überlegt, ob sie da bleiben oder sich den Morning Pool angucken sollen. Sie entscheiden sich für ein Pool und dann den Geysir. Sind die denn doof? Wir haben zu zweit schon mehr als 25 Minuten dort verbracht und die wollen das in acht Minuten schaffen? Und ja, sie schaffen es.
Der Ausbruch hat aber Verspätung, für die Japaner also unakzeptabel und sie verlassen den Ort, genauso wie zwei ältere Leute, die eine Stunde dort saßen und darauf gewartet haben.
Aber wir haben Geduld und genau als die Sonne nicht mehr darauf scheint, geht es los - und wie. Der Geysir liegt direkt am See und feuert dort sein Wasser hinein. Genial. WOW.
Leider ist mein Speicher von der Actioncam voll und ich bin auf das Handy angewiesen. Der Yellowstone nimmt unseren halben Speicher ein.
Jetzt müssen wir uns aber sputen, denn wir wollten eigentlich noch den Geysir Hill entlanglaufen (direkt hinter dem Old Faithful), dort sind eine Unmengen an Geysiren und Quellen.
Da es schon 19:00 Uhr ist, bleibt uns somit nur noch eine Stunde, bis die Sonne untergeht - danach sieht man gar nichts mehr.
Wir wollen also relativ zügig den 1,2 Kilometer langen Weg gehen und nur bei den super Highlights stehen bleiben. Das funktioniert hier aber nicht ganz, da alles so faszinierend und ein Highlight ist, dass wir bei allem stehen bleiben und die Strecke, auf der nichts zu sehen ist, fast rennen, da es auch ohne Sonne wieder sehr kalt geworden ist.
Mit dem letzten Sonnenstrahl verlassen wir den Weg und suchen im Dunkeln unser Auto.
Das war wieder perfektes Timing und hat alles super gepasst.
Jetzt heißt es im Dunkeln die 30 Meilen bis zum Ausgang fahren. Da die Tiere hier nicht so viel Angst vor Autos oder Licht haben, macht es das Fahren sehr schwer. Vor mir ist leider niemand, so muss ich doppelt aufpassen. Hinter mir drängelt ein Idiot, aber traut sich nicht, mich zu überholen. Er gibt mir immer wieder Zeichen mit der Lichthupe, damit ich Platz für ihn machen soll.
Jule nimmt ihre Aufgabe als Beifahrer sehr ernst und achtet wie ein Reh auf Tiere und Autos. Das ist sehr hilfreich, denn auf einmal steht ein Reh fast vor mir. Da wir gerade in einer Kurve waren und Gegenverkehr hatten, habe ich es nicht so schnell wie Jule gesehen hätte. Ich bremste also sehr stark und auch mein Hintermann musste eine Vollbremsung machen - Depp.
Seitdem hielt er bis zum Schluss doch einen normalen Abstand. Er hat wahrscheinlich damit gerechnet, dass die Tiere eingesperrt werden, sobald es dunkel wird.
Im Supermarkt kaufen wir uns noch Pizza zum Aufbacken und für mich ein wohlverdientes Bier.
Die Pizza war für ein Fertigzeug sehr gut und das Bier auch.
Ich werde uns gleich für den morgigen Flug einchecken. Dann geht es nach New York City, dem Big Appel, die Stadt, die niemals schläft und noch vieles mehr.
Wir freuen uns sehr darauf und da der Flug erst 23:00 Uhr startet, haben wir noch ein bisschen Zeit uns Salt Lake City anzugucken und evtl. dem Yellowstone noch einmal tschüss zu sagen.
Gefahrene Kilometer: 250
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